



Ein Bioreaktor für den Weinkeller
Wenn der Traubenmost im Keller nicht gärt, ist das für Winzerinnen und Winzer ein Albtraum. Die alkoholische Gärung, bei der Hefepilze den Zucker aus den Trauben vor allem in Alkohol umwandeln, entscheidet wesentlich darüber, wie gut das Endprodukt wird. „Wenn dieser Prozess nicht korrekt durchläuft oder frühzeitig abbricht, also Gärstockungen auftreten, leiden Geschmack und Qualität des Weins. Im schlimmsten Fall sind hunderte Liter ungenießbar“, sagt Elisa Jekel Könnel. Die Doktorandin am Lehrgebiet Bioverfahrenstechnik (BioVT) in Kaiserslautern unterstützt mit ihrem wissenschaftlichen Know-how kleinere Winzerbetriebe dabei, die biotechnologischen Abläufe bei der Weinherstellung zu verbessern.
Vor allem geht es darum, herauszufinden, wie Gärhefen so vorbereitet werden können, dass sie im Gärprozess zuverlässig arbeiten. Sie ist während der Traubenlese im Spätsommer regelmäßig in Edenkoben und anderen Orten in der Südpfalz vor Ort auf Weingütern unterwegs und weiß genau, welche handfesten Probleme gerade die kleineren Familienbetriebe umtreiben.
Vom Wildgewächs zur Hochleistungshefe
„In früheren Zeiten wurde die Gärung traditionell durch ´wilde´ Hefen ausgelöst“, erklärt Jekel Könnel. „Diese kommen aus der Umgebung des Weinbergs und sitzen beispielsweise auf den Schalen der Trauben oder direkt im Weinkeller.“ Solche Hefen aus der Natur können zwar zu typischen Aromen eines bestimmten Terroirs beitragen, der Gärprozess mit ihnen ist aber schwierig zu steuern.
Heutzutage setzen deshalb vor allem große Produzenten oft auf standardisierte, vorproduzierte Starterkulturen und Reinzuchthefen aus dem Labor, inklusive professioneller Qualitätskontrolle, berichtet die Doktorandin. Auch die meisten kleineren Betriebe kaufen inzwischen diese Reinzuchthefen in Form von Trockenhefe ein. Aber auch diese haben Tücken: „Der Rehydrierprozess der Trockenhefe, bei dem die Hefekultur in lauwarmem Wasser wieder zum Leben erweckt wird, verläuft nicht immer optimal. Sie wird nicht immer so aktiviert, wie es sich der Winzer wünscht und das kann negative Effekte auf die nachfolgende Gärung des Weins haben. Das ist für die Betriebe ein Risikofaktor. Für eine eigene Zucht vitaler Hefen fehlen kleineren Gütern aber oft die Zeit und die Mittel.“
Der Klimawandel reicht bis in den Keller
Dazu kommt der Klimawandel, der den Druck auf die Betriebe erhöht. „Mit dem Klima ändert sich die Zusammensetzung der Trauben und somit des Traubenmostes“, sagt Janik Haffelder. Er ist ebenfalls Doktorand in der Bioverfahrenstechnik und arbeitet eng mit Jekel Könnel zusammen. Haffelder erforscht, was der Klimawandel in der biochemischen Zusammensetzung der Trauben anrichtet und was das für die Hefegärung bedeutet. Sein Fokus liegt dabei auf robusten Hefestämmen, die auch neuen Bedingungen standhalten.
Der junge Wissenschaftler beschreibt ein Phänomen, mit dem Winzerinnen und Winzer immer häufiger umgehen müssen: „In der Traube ist mehr Zucker. Dadurch funktioniert die Gärung nicht mehr wie gewohnt, weil es die Hefen nicht schaffen, die höheren Zuckerkonzentrationen zu bewältigen. Der Prozess läuft nicht mehr vollständig durch und am Ende bleibt Zucker im Endprodukt. Das ist natürlich schlecht, wenn man einen trockenen Wein machen will.“ Der Klimawandel verändere außerdem den Stickstoffgehalt in den Trauben. Zu wenig davon gefährdet ebenfalls den Gärprozess. „Hefen brauchen ausreichend Stickstoff, um zuverlässig zu arbeiten“, erklärt Haffelder.
Ein einfaches und cleveres System
Das Projekt der beiden heißt EFMoST. Das Kürzel steht für ´Entwicklung einer Fed-Batch-Methode zur optimalen Vermehrung von Saccharomyces cerevisiae zur Vergärung von Traubenmost´. Vereinfacht gesagt, geht es um ein biotechnologisches Verfahren, bei dem Weinhefen nicht direkt dem Traubenmost zugegeben, sondern erst schrittweise mit Sauerstoff versorgt werden, damit sie kontrolliert, kräftig und vital wachsen, um eine erfolgreiche nachfolgende Gärung des Traubenmosts mit dieser erzeugten Kultur an Frischhefen zu garantieren.
Kernstück ist die Entwicklung eines Bioreaktors: eine unkomplizierte Vorrichtung in einem Behälter, mit der Winzerinnen und Winzer vor Ort im eigenen Betrieb Trockenhefen zuverlässig und ohne hohe Kosten für die Vergärung vorbereiten können. In das durch die Landwirtschaftliche Rentenbank geförderte Projekt fließt auch Expertise aus der Universität Hohenheim. Forschende des dortigen Instituts für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie analysieren, wie sich die verschiedenen Hefebehandlungen, die Jekel Könnel und Haffelder testen, jeweils auf Geschmack und Geruch des Endprodukts auswirken. Denn natürlich bringen alle Optimierungen nichts, wenn der Wein danach nicht schmeckt.
Begasung durch Keramikscheiben
„Der Clou unseres Systems ist, dass die Begasung der Hefen über spezielle, poröse keramische Scheiben erfolgt“, erklärt Jekel Könnel. Eine einfache, aber zuverlässige Sensorik und Regelungstechnik ermöglichen es, die wichtigsten Parameter im Blick zu behalten und zu kontrollieren: Temperatur, pH-Wert, Gaszufuhr und Konzentration des gelösten Sauerstoffs, Rührergeschwindigkeit und Schaumaufkommen. Eine Abgasanalytik misst, ob und wie viel unerwünschter Ethanol sich bildet; entsprechend lässt sich die Zufütterung einer Zuckerlösung zur Vermehrung der Hefezellen regeln. „Die Konstruktion ist bewusst unkompliziert gehalten, damit auch handwerklich arbeitende Betriebe sie nutzen können“, sagt Jekel Könnel. „Unser Ziel ist, dass die Winzerinnen und Winzer ihre Hefe selbst aufpäppeln können, aber eben unter kontrollierten Bedingungen; ein praxisnahes System, das Sicherheit gibt und für das kein teures Laborequipment und großes Vorwissen nötig sind.“
Entwicklung mit der Praxis für die Praxis
Das Projekt lebt vom Austausch mit denjenigen, die es betrifft. So wurde die Grundidee, Keramikscheiben zur Begasung zu testen, von einem Winzer an die Forschenden herangetragen. Werner Lauth vom Edenkobener Weingut Lauth & Sohn in Edenkoben hatte sich seit Längerem damit beschäftigt, wie Gärstockungen vermieden werden können und dabei diese Projektidee entwickelt.
„Das Know-how aus der Praxis ist für uns enorm wichtig“, sagt Haffelder. „Nur wenn wir verstehen, wie und unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, können wir eine Lösung entwickeln, die wirklich passt und vor allem einfach handhabbar ist. Denn die Abläufe auf einem Weingut haben mit einem Laboralltag an einer Universität wenig gemeinsam“
Erste Gärversuche mit Most aus dem Weingut Laut & Sohn sind vielversprechend verlaufen. Im nächsten Schritt steht, als entscheidende Phase, der Einsatz unter realen Bedingungen während der Weinlese an. Jekel Könnel wird dann im Weingut zusammen mit den Projektpartnern unter Realbedingungen im Praxisbetrieb aufbauen und begleiten. „Das Interesse an einem funktionierenden Prototypen ist groß“, berichtet sie. „Der Bedarf ist da. Und wir sehen die Chance, dass wir mit unserem Projekt zu einer funktionierenden und bezahlbaren Lösung für viele kleine Weingüter beitragen können.“


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Dann stöbere in den folgenden wissenschaftlichen Publikationen und Fachbeiträgen:
Pfister, Christian; Brönnimann, Stefan; Altwegg, Andres; Brázdil, Rudolf; Litzenburger, Laurent; Lorusso, Daniele; Pliemon, Thomas (2024): 600 years of wine must quality and April to August temperatures in western Europe 1420–2019. In: Clim. Past 20 (6), S. 1387–1399. DOI: 10.5194/cp-20-1387-2024.
>> ZUR VERÖFFENTLICHUNG
Adelsheim, David; Busch, Clemens; Catena, Laura; Champy, Boris; Coetzee, Jan; Coia, Lawrence et al. (2016): Climate Change: Field Reports from Leading Winemakers. In: J Wine Econ 11 (1), S. 5–47. DOI: 10.1017/jwe.2016.4.
>> ZUM PAPER
Bock, Anna; Sparks, Tim H.; Estrella, Nicole; Menzel, Annette (2013): Climate-induced changes in grapevine yield and must sugar content in Franconia (Germany) between 1805 and 2010. In: PloS one 8 (7), e69015. DOI: 10.1371/journal.pone.0069015.
>> ZUM ARTIKEL

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