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Ekkehard Neuhaus an einem Versuchfeld mit transgenem Maniok.
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© Wilhelm Gruissem, National Chung Hsing University
When Farming Meets Climate Change
Heat, drought, and even unexpected frosts during an unusually warm spring – the effects of climate change are increasingly taking a toll on agriculture. Researchers and plant breeders around the world are analyzing ways to counter these challenges. One approach: genetically modifying crops so that they can withstand drought, high temperatures, and other changing environmental conditions.
Ekkehard Neuhaus auf dem Versuchsfeld der National Chung Hsing Universität (Taichung, Taiwan). Auf diesem Feld werden jährlich tausende individueller transgener Maniok-Pflanzen, unter natürlichen Umweltbedingungen, auf ihre Erträge hin untersucht.

Hitze, Dürre und viel Salz im Boden: Können Nutzpflanzen den Folgen des Klimawandels trotzen?

Wie passen sich Pflanzen an veränderte Umweltbedingungen an? Mit welchen Strategien könnten sie dem Klimawandel trotzen? Forschende der RPTU wollen die damit einhergehenden Vorgänge verstehen. Und – um Nutzpflanzen gezielt züchterisch zu verbessern – auch beeinflussen.

Hitze, Dürre oder auch überraschende Fröste in einem zu warmen Frühjahr: Mehr und mehr setzen die Folgen des Klimawandels auch der Landwirtschaft zu. Forschende, Züchterinnen und Züchter weltweit analysieren, was dem entgegengesetzt werden könnte. Ein Ansatz: Nutzpflanzen genetisch so verändern, dass ihnen Trockenheit, hohe Temperaturen und andere – sich derzeit verändernde – Umweltbedingungen nichts ausmachen.

Ekkehard Neuhaus beschäftigt sich intensiv mit dieser Forschungsaufgabe: „Um die Zusammenhänge zu verstehen, untersuchen wir zunächst, wie Pflanzen auf herausfordernde Umweltbedingungen reagieren. Das können auch Veränderungen aufgrund von Nährstoff-Verfügbarkeit oder der Lichtintensität sein.“ Pflanzen seien nun mal standortfest und können „einer Bedingung nicht entfliehen“, führt der Biologe zum Hintergrundwissen aus: „Um zu überleben, mussten sie daher Strategien entwickeln, um sich der Umwelt rasch und effektiv anzupassen.“

Gemeinsam mit seinem Team schaut sich Ekkehard Neuhaus insbesondere die Aktivität von Transportproteinen in pflanzlichen Zellen an. Gemeint sind jene Proteine, die helfen, beispielsweise Zucker über Membranen zu transportieren. „Konkret untersuchen wir den Ein- und Austransport an den verschiedenen Organellen in Pflanzenzellen.“ Denn, so erklärt es Neuhaus: „In einer pflanzlichen Zelle gibt es verschiedene Zellorganellen. Das muss man sich wie bei einer Wohnung vorstellen, die verschiedene Räume besitzt. Dort gibt es ja eine Küche, ein Badezimmer oder ein Arbeitszimmer, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen. So hat in einer Zelle eben jedes Zellorganell eigene Aufgaben“. Eine seiner Forschungsfragen: Unter welchen Umweltbedingungen kommt einzelnen Transportprozessen an Zellorganellen eine besondere Bedeutung zu?

Wie arbeiten Transportproteine?

Keine unwesentliche Frage – denn Transportprozesse sind in allen Zellen zentral: „Ungefähr zehn bis 20 Prozent aller Gene eines Organismus führen zur Produktion von Transportproteinen. Wir wollen verstehen, wie diese Proteine arbeiten, wie sie organisiert sind und welche Funktionen sie im Stoffwechsel übernehmen“, präzisiert Neuhaus. Vor allem der Zucker- und Energiestoffwechsel ist für die Forschenden seiner Arbeitsgruppe von Interesse: „Zucker ist für Pflanzen enorm bedeutend und akkumuliert sehr markant unter Stressbedingungen in den Pflanzenzellen.“

Das Ziel seiner Forschung lasse sich einfach zusammenfassen: „Wir wollen verstehen, wie Pflanzen durch Änderungen der Transportvorgänge teilweise extreme Bedingungen ertragen und wie wir auf Basis dieses Wissens Nutzpflanzen gezielter züchterisch verbessern können."

Modell-Pflanze Zuckerrübe: Mehr Biomasse und höhere Erträge

Die Forschenden um Neuhaus arbeiten dazu an verschiedenen Nutzpflanzen, „wobei der Zuckerrübe seit Jahren eine besondere Bedeutung zukommt“. So haben sie das Zuckertransportprotein in den Wurzelzellen der Zuckerrübe identifiziert. Neuhaus: „Dieser Transporter ist dafür verantwortlich, dass sich Saccharose, also den Zucker, den wir im Haushalt und in der Nahrungsmittelproduktion benötigen, im Rübenkörper überhaupt anreichert.“

Und: „Die Zuckerrübe wird bei uns einjährig angebaut, obwohl sie im Grunde eine zweijährige Pflanze ist.“ Soll heißen: Grundsätzlich ist die Zuckerrübe in der Lage, im Spätsommer oder Herbst gesät zu werden, zu keimen und etwas heranzuwachsen, wobei jedoch die ausgeprägte Frostempfindlichkeit der gezüchteten Rübe das Überwintern in unserem Breiten verhindert. „Wenn es gelänge, die Forstempfindlichkeit der Zuckerrübe zu verringern, könnte man in den zweijährigen Anbau, wie beispielsweise bei Winterraps oder Wintergetreide üblich, übergehen, was zu einem entscheidenden Vorsprung zur Bildung von Biomasse, also mehr Zucker, führen wird. „Wir schauen uns dabei an, welche Gene für Transportproteine aktiv oder inaktiv sind und welche Zucker in den Zellorganellen erscheinen.“ Oder vereinfacht gesagt: Die Forschenden suchen nach Transportproteinen, die dabei helfen, die Kältetoleranz der Pflanze zu verbessern. Die entsprechende Nutzpflanze könnte daraufhin gezielter verändert werden, sodass ihr genau diese schützenden Verbindungen zur Verfügung stehen.

Klassische Züchtungsmethoden zu langsam

Mit klassischen Züchtungsmethoden komme man bei den heutigen Anforderungen nicht mehr hinterher, fasst es Ekkehard Neuhaus zusammen. „Denn dann dauert es zehn bis 15 Jahre, bis eine neue Pflanze auf den Markt kommt.“ Heute arbeitet man mit ausgewählten Genen, die man beispielsweise durch sogenannte Genscheren gezielt verändern kann. „Die modernden Ansätze erlauben ein schnelleres und gerichtetes Züchten.“ Es gehe bei seiner Arbeit auch um Patente, die er mit seinen Kooperationspartnern – unter anderem ein international führender Zuckerrüben-Saatguthersteller, entwickelt. „Genauer gesagt geht es um Patente für Gene, die zur Bildung dieser Transportproteine notwendig sind.“

Pflanzen mit höherer Salztoleranz

Ganz konkret mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt sich das Team um Neuhaus in einem weiteren Projekt: Als Modell-Pflanze dient hierbei ein Verwandter von Raps. „Auch hier untersuchen wir Transportproteine.“ Das Besondere: Die Modell-Pflanze weist bereits eine hohe Salztoleranz auf, man kann von ihr sozusagen lernen. Denn: „Eine Erhöhung der Außentemperatur, wie sie mit dem derzeitigen Klimawandel einhergeht, führt auch zu einer Versalzung von Böden, was Pflanzen stark schädigt und Erträge mindert." Seine Forschungsfrage hierbei ist: „Wie gewinnt man Pflanzen mit einer höheren Salztoleranz?“

Biochemische Herausforderungen meistern

Was ist die größte Herausforderung bei seiner Forschung? „Wir arbeiten mit einer bestimmten Gruppe an Proteinen, den sogenannten Membranproteinen.“ Diese seien hydrophob, sie sind also nicht wasserlöslich. „Um diese Proteine biochemisch zu verstehen, müssen wir sie aus der Membran herausholen und anschließend in Vesikel bringen, damit sie aktiv bleiben.“ Dafür werden die Gene, die für eben jene Transportproteine kodieren, in Bakterien- oder Bäckerhefezellen überführt, damit diese sodann die Proteine in ausreichenden Mengen produzieren.

Mehr Stresstoleranz mithilfe von Algenprotein

In einem nächsten Schritt kommt Algenprotein ins Spiel: Bei Chlorella ohadii handelt es sich um ein Algensystem, das „sehr belastendende Umweltbedingungen, wie extrem hohe Lichtintensitäten oder sehr starke Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, ertragen kann.“ Es geht darum, ausgewählte Proteine dieser Alge in höhere Pflanzen einbringen, um zu analysieren, wie sich diese Veränderungen auf deren Stresstoleranz auswirken. Möglich wird dieser aufwändige Ansatz über ein koordiniertes Forschungsprogramm, in dem Ekkehard Neuhaus an der RPTU und überregional seine Expertise mit weiteren Pflanzenforscherinnen und -forschern bündelt.

Höhere Ernteerträge bei Maniok möglich machen

Doch damit nicht genug: Gemeinsam mit afrikanischen, amerikanischen, taiwanesischen und europäischen Partnern setzt Ekkehard Neuhaus auf die Nutzpflanze Maniok, um höhere Ernteerträge zu erreichen. Mit ihrer stärkehaltigen Knolle gehört Maniok, vor allem in den Tropen und Subtropen, zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. „Aus diesem Projekt ist bereits eine mittlerweile patentierte Maniokpflanze hervorgegangen, die unter Freilandbedingungen höhere Erträge aufweist.“ Die dazu notwendigen Feldversuche werden aktuell an der Universität in Taichung in Taiwan durchgeführt, „wo auf einem großen Feld tausende individueller transgener Maniokpflanzen kultiviert werden.“

Ohne Informatik geht es nicht mehr

Die Pflanzenforschung ist dabei längst interdisziplinär aufgestellt – die Informatik gewinnt zunehmend an Bedeutung: „Es geht bei unserer Arbeit mittlerweile ja auch darum, Unmengen an Daten auszuwerten.“ Da seien beispielsweise Daten aus der Bildgebung und Informationen über mehr als 20.000 Proteinen, ebenso vieler Gene und tausender Metaboliten. „Wir untersuchen, welche das sind, wie aktiv sie sind und in welchen Mengen sie wann in den Zellen vorliegen.“ Genau für solche fächerübergreifenden Herausforderungen sei man an seiner Universität aber bestens gerüstete: „Für diese Art von Arbeiten ist die RPTU ideal, wir sind hier einfach überdurchschnittlich gut aufgestellt.“

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Prof. Dr.
Ekkehard
Neuhaus
Professor für Pflanzenphysiologe
"Wie funktioniert eine Pflanze auf molekularer Ebene und wie schaffen sie es, sich auf alle Umweltbedingungen so erfolgreich einzustellen."
Prof. Dr. Ekkehard Neuhaus verantwortet den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie. Schwerpunkte seiner Forschung sind der Energie- und Zuckertransport in Pflanzenzellen. Er untersucht unter anderem Funktionen und Struktur beteiligter Transportproteine, insbesondere von sogenannten Zuckertransportern. Außerdem erforscht er Anpassungsprozesse von Pflanzen an wechselnde Umweltbedingungen. Ziel ist hierbei die gerichtete Züchtung widerstandsfähiger Kulturpflanzen.
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Guo W-J, Pommerrenig B, Neuhaus HE, Keller I (2023) Interaction between sugar transport and plant development. J. Plant Physiol. 288, 154073.
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Schwenkert S, Fernie AR, Geigenberger P, Leister D, Möhlmann T, Naranjo B, Neuhaus HE (2022) Chloroplasts are key players to cope with light and temperature stress. Trends in Plant Sci. 27, 577-587.
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Keller I, Martins Rodrigues C, Neuhaus HE, Pommerrenig B (2021) Improved resource allocation and stabilization of yield under abiotic stress. J. Plant Physiol. 257, 153336.
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by Christine Pauli
Christine Pauli has many years of experience as a science journalist and project manager for science communication and has worked in this position for renowned publishing houses, news agencies, universities, research institutions, companies and foundations. Parallel to her journalistic training, the biology graduate previously worked for several years as a research assistant in the field of biotechnology and biomedical research.

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