


Wie kommen winzige Plastikteilchen auf Ackerflächen und Wiesen?
Schätzungsweise fünf Millionen Tonnen Plastik gelangen jedes Jahr weltweit in unsere Böden. Da die Kunststoffe nur langsam zerfallen, wächst ihr Anteil auch in Grünflächen und auf Ackerböden. Doch über die genauen Eintragswege, Transportprozesse und über mögliche gesundheitliche Auswirkungen für Mensch und Tier ist längst nicht alles bekannt.
Genau das will Zacharias Steinmetz ändern. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Natur- und Umweltwissenschaften. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Mikroplastik im Boden verhält – wie es dort um die kleinen Partikel bestellt ist, die etwa 1 Mikrometer (0,001 Millimeter) bis 5 Millimeter klein sind. Als Umweltwissenschaftler befasst er sich intensiv mit den Methoden, mit deren Hilfe sich Mikroplastik im Erdreich überhaupt erst ausfindig machen lässt: „Ich will herausfinden, wo die Hotspots sind. Wo sich besonders viel Mikroplastik ansammelt. Und warum gerade dort.“
Dieses Forschungsthema treibt ihn schon lange um: Alles fing an als studentisches Projekt, als Literaturrecherche-Aufgabe, erzählt er. Zacharias Steinmetz war damals Masterstudent – und sofort begeistert, dass er sich mit einer so neuen Forschungsfrage auseinandersetzen durfte. Später promovierte er zum Thema: „Inhaltlich ging es in meiner Doktorarbeit um Plastikfolien, die in der Landwirtschaft genutzt werden. Und inwieweit über diese Mikroplastik in den Boden gelangen kann. Als ich 2016 mit meiner Forschung anfing, wusste man noch nicht viel darüber.“
Höherer Probendurchsatz möglich
Deshalb ging es für ihn zunächst darum, Methoden zu verfeinern, mit denen sich die kleinen Partikel detektieren lassen. „Ich ging der Frage nach, wie hoch ihr Massenanteil im Boden ist, in Milligramm pro Kilogramm. Das ist die normale Angabe in der Analytik.“ Dafür müsse man wissen, so konkretisiert er zu seiner Vorgehensweise, dass Acker und andere Arten von Böden sehr heterogen aufgebaut sind: „Da sind viele kleine Teile drin. Auch Mineralstoffe und organische Substanzen. Es ist schwierig, Mikroplastik davon zunächst einmal zu unterscheiden.“
„Ich will herausfinden, wo die Hotspots sind. Wo sich besonders viel Mikroplastik ansammelt. Und warum gerade dort."
Zacharias Steinmetz
In Bodenproben habe er Mikroplastik aus Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol ausfindig machen wollen – drei in unserer modernen Welt sehr verbreitete Kunststoffe: „Polyethylen und Polypropylen stecken in vielen Verpackungsprodukten wie Bechern und Plastiktüten. Und Polystyrol ist bei uns als Styropor bekannt.“ Er entwickelte eine Methode, mit der sich – vereinfacht gesagt – Mikroplastik in Bodenproben mithilfe von Lösungsmitteln und hohen Temperaturen in sehr kleine Teile auftrennen lässt. Diese kurzkettigen Verbindungen wiederum lassen sich anschließend sehr gut erkennen und bestimmen – mithilfe eines Gaschromatographen.
Der Vorteil: Mit seiner Methode lässt sich eine verhältnismäßig große Anzahl an Bodenproben auf deren Plastikanteil hin untersuchen. Es gebe zwar Ansätze, so räumt Zacharias Steinmetz ein, Mikroplastik anhand mikroskopischer Untersuchungen zu analysieren. Doch das dauert lange, erlaubt vielleicht fünf bis zehn Proben im Monat. Mit der von ihm entwickelten Vorgehensweise schafft er 25 Durchgänge pro Woche.
Dicke der Plastikfolie ist relevant
Gerüstet mit dieser effizienten Screening-Methode schaute sich der Umweltwissenschaftler landwirtschaftlich genutzte Flächen in der Region um Landau an: „Felder, die stellenweise mit Plastikfolien bedeckt sind.“ Plastikfolien, mit denen Nutzpflanzen vor Wind, Wetter und Verschmutzung geschützt werden sollen, die Unkrautwuchs mindern – und mit deren Hilfe Feuchtigkeit in der Erde gehalten wird. In Deutschland sind solche Folien zwischen 50 und 200 Mikrometer dick. Zacharias Steinmetz: „Ich wollte wissen, welche Auswirkungen diese Folien auf den Boden haben. Geht von ihnen Mikroplastik aus? Und wenn ja, in welchen Mengen?“
Seine Erkenntnisse mögen den einen oder anderen überraschen: Dort, wo eine dicke Plastikfolie verwendet wurde, ließ sich relativ wenig Mikroplastik im Boden ausmachen: „Die Menge war dicht unter der Nachweisgrenze unserer Methode. Unter drei Milligramm pro Kilogramm.“ Anders bei dünneren Folien: Kamen diese mit landwirtschaftlich genutzter Fläche in Berührung, ließ sich dort mehr Mikroplastik finden – bis zu 40 Milligramm pro Kilogramm. Die höchsten Mengen an Mikroplastik detektierte der Forscher bei perforierten Folien. „Also bei denen, die einen Austausch mit der Atmosphäre zulassen, die löchrig sind. Zusammengefasst, je dünner und poröser eine Folie, desto mehr Mikroplastik gibt sie an ihre Umwelt ab.“
Welche Schlussfolgerungen zieht er aus seinen Forschungsergebnissen? Zacharias Steinmetz: „Klar, der Landwirtschaft kann man aufgrund der Erkenntnisse empfehlen, eher mit dicken Folien zu arbeiten. Was all das allerdings für den Verbraucher bedeutet, kann man noch nicht genau sagen.“ Denn man wisse noch nicht, welche exakten Auswirkungen Mikroplastik im Boden letztendlich auf die landwirtschaftlichen Produkte hat. „Ungeklärt ist bislang die Effekt-Konzentration.“ Also, ab welcher Konzentration Schäden für die Umwelt und die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbraucher möglich sind.
Mikroplastik und die Folgen des Klimawandels
Insgesamt haben Studien aber bereits gezeigt: Mikroplastik kann die Wasseraufnahmefähigkeit der Erdoberfläche beeinflussen und die Verdunstungsrate erhöhen, was den Wasserverlust steigert. Solche Effekte sind schlecht für die Pflanzen und könnten durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt werden. „Mikroplastik kann auch den Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt erhöhen und die enzymatische Aktivität sowie den pH-Wert des Bodens verändern“, ergänzt der Forscher.
„Ich wollte wissen, welche Auswirkungen diese Folien auf den Boden haben. Geht von ihnen Mikroplastik aus? Und wenn ja, in welchen Mengen?“
Zacharias Steinmetz
Dass die Verbreitung von Plastik bereits heute eingedämmt wird, begrüßt Zacharias Steinmetz sehr. In Deutschland beispielsweise trat 2021 die Einwegkunststoff-Verbotsverordnung und die Einwegkunststoff-Kennzeichnungsverordnung in Kraft, um die Herstellung von Einwegbesteck oder -geschirr aus Kunststoff zu verbieten.
Deutschlandweit Proben analysieren
Nach Abschluss seiner Doktorarbeit ist Zacharias Steinmetz dem Thema treu geblieben. Inzwischen leitet er an der RPTU das Team „Soil Stressors“ – auf Deutsch „Bodenstressoren“ – und schaut sich in dieser Funktion weiterhin die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt aus wissenschaftlicher Sicht an. „In den nächsten zwei Jahren werden wir an einem Projekt im Auftrag des Umweltbundesamtes arbeiten. Wir analysieren dabei 600 Bodenproben auf Mikroplastik, verteilt über ganz Deutschland.“ Ackerflächen- und Grünflächen seien beispielsweise darunter. „Es geht nicht um Flächen, die Kontakt zu Folien hatte. Sondern wir wollen insgesamt einen Überblick bekommen, wo und wie viel Mikroplastik in den Böden vorkommt.“
Von landwirtschaftlich genutzten Plastikfolien einmal abgesehen – wie kann Mikroplastik ansonsten in den Boden gelangen? „Über Leute, die dort ihren Abfall fallen lassen. Über die Atmosphäre. Und über Wind und Wetter.“ Mit seinen Forschungsarbeiten will er zudem herausfinden, so ergänzt Zacharias Steinmetz, ob bestimmte Böden eher Mikroplastik aufnehmen als andere: „Es könnte beispielsweise sein, dass Böden mit einer groben Struktur mehr Mikroplastik enthalten.“ Salopp gesagt, weil dort mehr Platz ist.
Die gewonnen Erkenntnisse seien wichtig für die Regulatorik – also das Entwickeln von zukünftigen Vorschriften, die dafür sorgen sollen, dass letztendlich weniger Mikroplastik im Boden landet. Ein Doktorand von Steinmetz nimmt derzeit zudem hydrophile Polymere unter die Lupe. Schaut sich an, wie sich diese im Mikrobereich im Erdreich verteilen – und wie man das messen kann. „Hydrophile Polymere sind in Shampoos, Farben und Klebstoff enthalten. Wir gehören auch hier wieder zu den ersten, die das erforschen.“ Was reizt Zacharias Steinmetz an seinem Forschungsfokus? „Die Thematik Mikroplastik hat in den Weltmeeren angefangen. Dort wurde es in erhöhten Konzentrationen gefunden. Über Mikroplastik in Böden hat zunächst niemand nachgedacht. Dabei ist schätzungsweise fünf bis zwanzig Mal mehr Plastik im terrestrischen Bereich als im marinen Bereich zu finden. Man konnte es dort bislang nur eben schlechter messen.“ Das wird in Zukunft anders sein – ein Mehrwert seiner Forschung

Du willst tiefer ins Thema eintauchen?

Schau gerne in die Auswahl an wissenschaftlichen Publikationen oder klicke in den Beitrag im Deutschland-Funk:
Steinmetz Z, Löffler P, Eichhöfer S, David J, Muñoz K, Schaumann GE. 2022. Are agricultural plastic covers a source of plastic debris in soil? A first screening study. SOIL 8:31–47.
>> ZUM PAPER
Steinmetz Z, Wollmann C, Schaefer M, Buchmann C, David J, Tröger J, Muñoz K, Frör O, Schaumann GE. 2016. Plastic mulching in agriculture. Trading short-term agronomic benefits for long-term soil degradation? Science of The Total Environment 550:690–705.
>> ZUM ARTIKEL
Müll von Morgen: Mikroplastik auf dem Acker. Beitrag von Anke Petermann im Deutschlandradio, 18.04.2019.
>> ZUM BEITRAG

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